Jetzt sieht man, wer nackt geschwommen ist. Die jahrelange Liquiditätsflut der Notenbanken hat bei vielen Unternehmen zu einer gefährlichen Konservierung ineffizienter Strukturen geführt. Viele hoch verschuldete Firmen und auch viele Staaten wurden so vor der Pleite gerettet. Der vom österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter als „schöpferische Zerstörung” beschriebene Prozess der Auslese fand nicht mehr statt; Neues konnte immer seltener entstehen. Die lange Phase des billigen Geldes hat in vielen Bereichen zu Sorglosigkeit und Fehlallokationen geführt. Nun herrscht Ebbe bei der Liquidität an den Finanzmärkten, jedenfalls bleibt der Rückenwind der Zentralbanken erst einmal aus. Durch die signifikant gestiegenen Zinsen und Finanzierungskosten trennt sich nun die Spreu vom Weizen.
„Only when the tide goes out do you discover who’s been swimming naked.” (Warren Buffett)
Schuldenfalle
Für Unternehmen, die sich jetzt refinanzieren müssen, wird das nicht nur deutlich teurer, sondern kann sich insbesondere bei hoch verschuldeten Firmen mit qualitativ schwachen Geschäftsmodellen zu einem existentiellen Risiko auswachsen. Betroffen sind in erster Linie kapitalintensive Firmen mit chronisch schwachen Margen und begrenzten Skaleneffekten bei hoher Wettbewerbsintensität. Häufig sind hier hohe Fremdkapitalquoten ein Zeichen mangelnder Qualität: Qualitativ schwache Unternehmen nutzen diese gerne dazu, ihre Eigenkapitalrendite künstlich zu erhöhen. Firmen, die es sich aufgrund der Natur ihres zyklischen und kapitalintensiven Geschäftsmodells eigentlich nicht leisten konnten, sind in der Phase der Tiefzinsen den Verlockungen der Investmentbanken verfallen und haben „teures“ Eigenkapital in ihrer Bilanz durch „billiges“ Fremdkapital substituiert. Das ist eine gefährliche Schönwetterdenke, weshalb wir uns an dieser Art von Unternehmen aus Prinzip nicht beteiligen. Von Investitionen in Aktien von Firmen mit hoher Fremdkapitalquote oder Unternehmen, die ihre Eigenkapitalrendite durch sehr hohe Verschuldung stark hebeln, ist daher grundsätzlich und aktuell besonders abzuraten. Denn bei derartigen Unternehmen fehlt meist die nötige Flexibilität für Restrukturierungen und Innovationen. Selbst für ertragsstarke Firmen können Anschlussfinanzierungen unerwartet schnell ausfallen oder nur zu plötzlich stark steigenden Zinsen ermöglicht werden. Diese Risiken sind keineswegs nur abstrakter Natur, sondern materialisieren sich immer wieder, wie die jüngsten Pleiten und Schieflagen z.B. beim Immobilienkonzern Evergrande, dem Modeunternehmen Gerry Weber, der Schweizer Großbank Credit Suisse oder dem Industrieunternehmen Siemens Energy zeigen. Aber auch „angesagte” Firmen, denen Analysten rosige Zukunftsaussichten prophezeien, können zum Opfer zu hoher Schulden werden. Schon seit jeher ist es daher unser Credo: Neben einem robusten Cash Flow sehen wir eine hohe Bilanzqualität als besten Schutz für das investierte Kapital an und halten uns von stark verschuldeten Firmen kategorisch fern.
Amazon: Von Analysten gefeiert, aber zu Recht?
Wenn wir von absoluten No-Gos beim Investieren sprechen, denken wir aber nicht nur an die üblichen Verdächtigen, also chronisch margenschwache, kapitalintensive Hochschuldenfirmen wie z.B. Lufthansa oder Volkswagen. Es wird möglicherweise verwundern, dass wir auch so manches Unternehmen für nicht investierbar halten, das von Analysten gefeiert wird oder gar zur Riege der „Glorreichen Sieben” zählt, wie z.B. der Online-Händler und Cloud-Anbieter Amazon. Bei unternehmerischer Betrachtung ist Amazon ebenfalls eine Hochschuldenfirma. So betrug Amazons Nettoverschuldung (inklusive Net Working Capital und Leasingverbindlichkeiten) zum Ende des dritten Quartals 2023 fast 140 Mrd. USD! Das sind sehr kritische Dimensionen, zumal Amazon –nach wie vor keinen wirklichen, unternehmerischen Gewinn (Free Cash Flow) erzielt. Mit nicht einmal 4 Mrd. US-Dollar im laufenden Geschäftsjahr ist der freie Barmittelzufluss sehr überschaubar und entspricht bei einem Umsatz von 405 Mrd. US-Dollar einer Free Cash Flow-Marge von weniger als einem Prozent. Das ist mehr als dürftig, aber zumindest eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Geschäftsjahr 2022, als bei einem negativen Free Cash Flow von sage und schreibe -20 Mrd. US-Dollar massiv Geld verbrannt wurde. Von einer Wende zum Besseren ist dennoch nicht auszugehen. Da ist zum einen die weit verbreitete Annahme oder besser gesagt Hoffnung, der Online-Handel würde sich irgendwann durch das Umsatzwachstum und positive Skaleneffekte zum Margenbringer entwickeln. Doch die These positiver Skaleneffekte wird durch die Realität immer wieder aufs Neue widerlegt, weil das Umsatzwachstum mit enormen Investitionen in Lager, Logistik und Betriebskapital unterfüttert werden muss, was den Free Cash Flow massiv belastet. Darüber hinaus wird die Cloud-Sparte AWS durch den gewaltigen Kapitalbedarf, den der Online-Handel verschlingt, stark gebremst, und dies ausgerechnet in einer Zeit, in der mit Cloud und Künstlicher Intelligenz eigentlich mehr bei AWS investiert werden müsste, zumal die Konkurrenz – allen voran Google und Microsoft – hier gerade Vollgas gibt.
Quelle: Morningstar
Beiersdorf: Wert und Substanz
Ein positives Kontrastbeispiel zu Amazon ist Beiersdorf. Ähnlich wie den meisten anderen Konsumgüterfirmen haftet dem Hamburger Kosmetik- und Klebstoffkonzern jedoch das Image an, ein (vermeintlich) „langweiliges“ Unternehmen und Investment zu sein. Das ist ein gewaltiger Irrtum. Denn Beiersdorf ist (inzwischen) eine sehr dynamisch wachsende Firma, die seit 2019 im Rahmen des auf fünf Jahre angelegten Effizienz- und Wachstumsprogramms C.A.R.E.+ derzeit noch eine Phase erhöhter Investitionen durchläuft, die dem Unternehmen bereits sichtbar mehr Wachstum und Profitabilität verleihen und zunehmend verleihen werden. Gleichzeitig ist man als langfristiger Miteigentümer von Beiersdorf durch die makellose Bilanz mit einer Nettofinanzposition von 4,7 Mrd. Euro bestmöglich geschützt, während die Stolpergefahr bei vermeintlich „spannenderen“ Firmen wie der hoch verschuldeten und hoch bewerteten Amazon nicht unterschätzt werden darf.
Gewinner und Verlierer
Erstklassige Firmen, die entweder nur gering verschuldet sind oder idealerweise sogar eine Nettokasse-Position aufweisen, können ihre Free Cash Flows innerhalb weniger Jahre deutlich steigern. Diese Unternehmen sind daher bei ihrer Finanzierung nicht auf Fremdkapital angewiesen oder können sich neues Geld aufgrund ihrer Finanzstärke vergleichsweise günstig am Kapitalmarkt beschaffen. Dies führt dazu, dass derartige Unternehmen im Gegensatz zu schlechter positionierten, kapitalintensiven und (höher) verschuldeten Firmen an relativer Stärke gewinnen, da sie im Vergleich zu den Wettbewerbern noch mehr Power für Innovationen und die Gewinnung neuer Marktanteile besitzen. Mit ihren hohen Cash Flows und erstklassigen Bilanzen können sich diese Ausnahmefirmen den Luxus leisten, weiter kräftig in Forschung & Entwicklung zu investieren sowie ihr Geschäft durch die Übernahme finanzschwacher Firmen mit interessanten Produkten oder Technologien weiter auszubauen.
Während erstklassige Firmen wie Apple, Beiersdorf, Microsoft oder Visa klare Gewinner der gestiegenen Zinsen sind, ist die Unfallgefahr bei hochverschuldeten Firmen immens. Das beste „Risikomanagement“ ist und bleibt daher das Investieren in robust Cash Flow-starke Unternehmen mit hoher Bilanzqualität.
Weitere Details zur Bilanzqualität und operativen Stärke von Beiersdorf lesen Sie hier.
(Dominikus Wagner / Dr. Dirk Schmitt – Wagner & Florack AG)
Fonds: Wagner & Florack Unternehmerfonds – ISIN DE000A1C4D48 (I) / DE000A2H9BB2 (P)
Fonds: Wagner & Florack Unternehmerfonds flex – ISIN DE000A2P23M1 (C) / DE000A2P23L3 (P)
Gesellschaft: Wagner & Florack AG