17.07.2023

Hohe Volatilität Risiko und Chance

Auf Internetseiten wie „99 Bitcoins – Bitcoin Obituaries“ (https://99bitcoins.com/bitcoin-obituaries/) werden Meldungen bzw. „Nachrufe“ aus unterschiedlichen Medien gesammelt, die das „Projekt Bitcoin“ für gescheitert und immer wieder aufs Neue für tot erklären.

Die Betrachtung, wie sich der Bitcoin tatsächlich im Laufe seiner Existenz bisher entwickelt hat, ist dabei nur eine mögliche Form, diese Nachrufe kritisch zu hinterfragen. Eine interessante Perspektive eröffnet sich, wenn man den Bitcoin als Assetklasse im herkömmlichen Portfoliogedanken akzeptiert und mit anderen Assetklassen und wirtschaftlichen Rahmendaten vergleicht.

In der Portfoliotheorie ist für den Vergleich von Assetklassen nicht nur deren absolute Entwicklung interessant, sondern auch die Korrelation zueinander und zu anderen externen Größen – d.h. wie verhalten sich die einzelnen Assetklassen untereinander und im Verhältnis zu wirtschaftlichen Kenngrößen.

Jahresrenditen ausgewählter Assetklassen

Quellen: bilello.blog, Statista

Beim Vergleich traditioneller Assetklassen mit wirtschaftlichen Kennzahlen – wie der Geldmengenausweitung und der Inflation – wird sichtbar, dass die Erwirtschaftung eines realen Mehrwerts bei einigen Assetklassen bereits nicht mehr gegeben ist. Und auch bei Top Performern ist zu erkennen, dass ein wesentlicher Teil der positiven Wertentwicklungen auf Mittelzuflüsse im Rahmen der Geldmengenausweitung zurückzuführen ist.

Grundsätzlich kann man beim Bitcoin bisher nicht feststellen, dass er keine oder sogar eine negative Korrelation zu anderen Assetklassen aufweist. Insbesondere im Vergleich zu Tech-Aktien bzw. dem Nasdaq 100 liegt eine positive Korrelation auf der Hand.

Diese Tatsache beschreibt die derzeitige Wahrnehmung des Bitcoins: Investoren sehen den Bitcoin als „Tech-Projekt“ oder Spekulationsobjekt und weniger als digitales Gold.

Wird der Bitcoin richtig verstanden?

Damit wird deutlich, dass der Bitcoin einige seiner positiven Charakteristika noch gar nicht ausspielt. Mit der absoluten Begrenzung von maximal 21 Millionen Bitcoin ist z.B. die Entwicklung von inflationären Tendenzen schlichtweg nicht möglich. Dennoch wurde diese Eigenschaft im Jahr 2022 im Umfeld einer massiv ansteigenden weltweiten Inflation nicht honoriert.

Dies wirft die Frage auf, ob die Marktteilnehmer den Bitcoin bisher überhaupt richtig verstanden haben und diesen im Bewusstsein seiner Stärken in die Portfolios einbauen.

 

Hohe Volatilität: Risiko und Chance

Ein nicht zu unterschätzendes Risiko ist und wird voraussichtlich auch noch für längere Zeit die hohe Volatilität beim Bitcoin bleiben. Amplitudenausschläge von 10% pro Tag sind hier leider keine Seltenheit. Auch wenn die Zahlenreihen in der oben gezeigten Darstellung den Aufbau eines Bitcoin-Investments einfach erscheinen lassen, ist die Umsetzung im Portfolio mit nicht zu unterschätzenden Risiken verbunden. Schlechtes Timing in Kombination mit anschließender hoher Volatilität und negativer Entwicklung lassen die Investitionsentscheidung schnell für einen längeren Zeitraum äußerst negativ im Portfolio auffallen. Im Zeitraum von Juni 2021 bis zum Mai 2022 war jeglicher Aufbau einer Bitcoin-Only Position von massiven Kursrückgängen betroffen, die bis heute nicht wieder aufgeholt werden konnten. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Einflechtung in die vorhandene Portfoliostrategie kann aber u.a. die intelligente Nutzung von Absicherungs- bzw. volatilitätsreduzierenden Strategien sein. Gerade die hohe Volatilität bietet hier Chancen für attraktive Anlagekonzepte.

Korrelation zum Tech-Bereich sollte zurückgehen

Zusammenfassend kann man durchaus festhalten, dass – lässt man die kumulierte und die jährliche durchschnittliche Entwicklung einmal außen vor – der Bitcoin phasenweise ein gehebeltes Performance-Abbild des Technologiesektors ist.

Fakt ist aber auch, dass der Bitcoin im Rahmen der Assetklassen-Betrachtung eine gute Wahl im Hinblick auf einen realen Mehrwert für den Anleger im Vergleich zur Geldmengenausweitung und im Vergleich der Assetklassen untereinander war.

Eine interessante Frage an dieser Stelle ist sicherlich, wann der Bitcoin seine Kursentwicklung und Stabilität an die eigentlichen Kompetenzen koppelt, die er in seinem „Code“ bereits mit sich bringt, und die bisherige Korrelations-Kopplung zum Tech-Bereich aufgibt.

Bei aller Kritik zum Thema Bitcoin aus der traditionellen Anlagewelt sollte daher der Wille zum Blick in den Spiegel in Verbindung mit der Fähigkeit zur Selbstreflexion nicht zu kurz kommen, wenn es darum geht, Vor- und Nachteile von Assetklassen im Portfoliokontext zu bewerten.

Autor: Dr. Leif Richter, Vorstand, Dietrich & Richter Private Asset Management AG


Zertifikat:           Plan B Krypto Assets Strategies ETI
Gesellschaft:      Dietrich & Richter Private Asset Management AG


zur Boutique zur Newsübersicht